Herzschmerz
Mein Herz schlägt gestern heute morgen
an tausend Orten.
Um nur ein paar zu nennen:
mein Herz schlägt in Gaza
mein Herz schlägt im Congo
mein Herz schlägt im Sudan
mein Herz schlägt auf dem Mittelmeer
mein Herz schlägt in Myanmar
mein Herz schlägt in Mosambik
mein Herz schlägt in Nazi-Deutschland Version 21st century;
mein Herz schlägt überall da auf der Welt
wo die Welt mich bewegt
und die Erde sich so grausam einfach trotzdem weiter dreht
Mein Herz schlägt in Hanau
4 Jahre später
immer noch
für immer.
Die Stadt in der ich geboren bin,
dort bin ich aufgewachsen
und zugewachsen, von Ranken roh verschlungen;
Ich glaube ich wär jetzt eins mit dem Dreck
wäre ich nicht gegangen, weg
mein Herz schlägt jetzt in Köln:
hier hat man mich aus morschen Holz
und Unkraut und Dickicht
hervor ans Licht gezogen,
zugezogen, aufgezogen,
mein erstes echtes Zuhause
they say home is where the heart is
and my people are my heart
und meine Leute sind in Gefahr
also ja
ich habe ganz einfach Angst davor,
dass mir mein Herz gebrochen wird
Ich hab Angst um meine Schwestern auf ihrem Heimweg,
nicht nur nachts
und am nächsten morgen geh ich dann auf instagram
und checke ob Bisan
heute zur Märtyrerin geworden ist,
und frage mich
wenn Lumumba nie einer geworden wäre,
was wäre aus dem Kongo geworden
und ich frag mich, wieviel schwarzes Leid bleibt uns verborgen
weil wir hier sind und nicht da
und weil politische Bildung über die größten Kontinente der Welt
hier nicht Curriculum ist
sondern Zusatzaufgabe
nicht wahr?
Ich hab Angst vor nem gebrochenen Herz
weil es schon längst am Brechen ist
und noch viel mehr als vor dem Schmerz
hab ich Angst vor dem Heilen
und am aller meisten hab ich Angst davor,
dass keine Narben bleiben.
Angst,
dass die Welt ihre Opfer vergisst
weil der Imperialist
es wie so oft schafft,
Geschichte einfach umzuschreiben,
dass vor ihm keine Wälder heilig bleiben
Baumkronen verhandelt wie Gold
Angst vor dem Brechen unserer Äste
und seinem Echo durch den Wald:
das Knacken, das Knarzen, das Knallen,
weil selbst die ältesten Bäume fallen, gefällt;
dass es radikal bleibt, Menschenleben über Profit zu stellen
wtf
Ich hab Angst, dass
obwohl ich wirklich nichts mehr mit ihnen zu tun haben will,
mir am Ende doch cis straight white men das Herz brechen.
Und klar,
ich könnte sagen ich reiß es mir jetzt einfach aus, das Herz,
um das alles zu vermeiden.
Ich lass ihnen nichts mehr von mir übrig,
aber den Gefallen tu ich ihnen erstens nicht,
und zweitens
bin ich es meinen Geschwistern,
die keine Wahl haben,
schuldig,
denen ins Herz geschossen wird
bevor sie es sich ausreißen könnten
schuldig
drittens
mit dieser Angst zu leben
und das Brechen,
(weil es ist schon lange da
und wird auch weiter kommen,)
irgendwie anzunehmen.
Und jetzt wo der Schmerz größer ist als je zuvor,
stell ich mir dahingehend Folgendes vor:
Wenn mein Herz mir in die Hose rutscht,
dann halt ich es nicht auf.
Ich lass es weiter gleiten Richtung Boden,
wo es sanft auf saftig-grünem Moos landet
und weiter schlägt;
ich lass es Wurzeln schlagen
in seinem eigenen Takt.
Es reached out in alle Richtungen
und trifft dort unterirdische Netzwerke an,
ich hab letztens gelernt was ein Myzell ist.
Myzelien sind die Gesamtheit aller Zellen,
die ein Pilz in die Erde schießt,
wie kleine Fäden,
ein Netzwerk, was unter uns sprießt
und so wie Pilze über Meilen miteinander teilen
so können wir unseren Herzschlag hören
härter als jeder andere Schlag,
denn im Nährboden schlummern rebellische Chöre,
mit denen wir
den Sturm heraufbeschwören.
Er wird lauter als jedes Brechen
wie harscher Wind auf nackter Haut wird er auch auf unserer stechen;
ein Versprechen,
dass der Sturm ausnahmslos alles zerstört,
weil er alles mit sich reißt
so dass alles alles
alles bricht
nur nicht
das, was Wurzeln schlägt.